Carey Trevill im Interview: Resilienz vom Erfolg und Scheitern anderer lernen.
Veröffentlicht am 14.12.2023
Carey Trevill wurde vom erfolgreichen Consultant zur ersten weiblichen CEO des britischen Branchenverbandes BPMA ernannt. In einer nach wie vor von Männern dominierten Branche setzt sie als weibliche Geschäftsführerin setzte der Verband damit auch ein starkes Zeichen für Female Empowerment. Wir sprachen mit ihr nicht nur über Diversität und Inklusion als Schlüsselaspekte. Carey verrät auch, welche Bedeutung Lesen und die Wahl von Vorbildern für den eigenen Karriereweg haben.
Carey, beschreiben Sie bitte Ihre berufliche Position.
Carey Trevill: „Im Auftrag des BPMA-Vorstands bin ich als CEO tätig, um den Verband auf einen strategisch neuen Weg zu bringen. Zu meinen anderen Aufgaben gehören die strategische Beratung von Mitgliedsunternehmen und die Arbeit mit Unternehmen in gemeinsamem Besitz. Hier liegt mein Fokus auf der Wettbewerbsfähigkeit und den Lieferketten unter Marketinggesichtspunkten. Ich bin die erste weibliche CEO bei BPMA, und obwohl es vor gar nicht langer Zeit eine weibliche Vorstandsvorsitzende gab, war es interessant zu sehen, wie mich die Menschen als weibliche Führungskraft behandeln. Ich habe den Eindruck, dass ich häufiger auf die Probe gestellt werde – als ginge es darum zu sehen, wie ich reagiere. Erst danach wird geschaut, was ich leisten kann.“
Inwiefern ist der BPMA ein von Männern dominierter Verband? Und wie sieht es mit der Werbeartikelbranche in Großbritannien aus?
Carey Trevill: „Wenn wir uns die Vielfalt der Eigentumsverhältnisse in unseren Mitgliedsunternehmen ansehen, würde ich sagen, nein. Aber: Nächstes Jahr führen wir unsere erste vollständige DEIB-Umfrage unter den Mitgliedern durch, um zu messen, wie es um die Ausgewogenheit wirklich bestellt ist. Daneben haben wir uns kürzlich Unternehmen angesehen, die sich in weiblichem Besitz und unter ethischer Führung befinden – das ist übrigens ein viel höherer Prozentsatz, als man denken würde, denn leider sehen wir oft nur das, was wir sehen wollen. Unser Vorstand ist ziemlich ausgewogen und wir haben eine starke weibliche Vertretung, was ich bei meinem ersten Treffen mit dem Vorstand im Jahr 2018 beinahe überrascht festgestellt habe. Das Vereinigte Königreich mag sich manchmal sehr männerdominiert anfühlen, aber ehrlich gesagt sehe ich bei meiner täglichen Arbeit ebenso viele einflussreiche Frauen in den Chefetagen, die mindestens genauso viel von sich reden machen wie die Männer. So, wie viele andere Industrien braucht auch unsere Branche natürlich Vielfalt und Veränderung, aber wir müssen darauf achten, wie wir das angehen.“
Im März hat der BPMA zum ersten Mal eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag ausgerichtet, das International Women’s Day Lunch. Wie war die Resonanz?
Carey Trevill: „Wir haben seit 2022 eine Reihe von Arbeitsgruppen gebildet – auch eine Arbeitsgruppe für Diversity & Inclusion. Diese hat mitgeholfen, den International Women’s Day Lunch zu organisieren. Jedenfalls haben wir diese Veranstaltung zu einer inklusiven Veranstaltung gemacht, und das wohl wichtigste Feedback war: Wir brauchen hier mehr Männer. Das stimmt aus meiner Sicht, unsere weiblichen Mitglieder hatten Recht: Die Frauen müssen nicht davon überzeugt werden, dass Gleichberechtigung am Arbeitsplatz eine gute Sache ist, sondern wir brauchen mehr Engagement auf breiter Ebene. Der Auftrag für 2024 ist in dieser Hinsicht also noch inklusiver und umfassender.“
Wie setzt die BPMA das Thema Frauenförderung um? Was bieten Sie in dem Bereich an?
Carey Trevill: „Die Branche ist in Bezug auf die Frauenförderung recht gut aufgestellt, aber es gibt immer etwas zu tun. Unser Ziel ist stets die Integration und nicht die Ausgrenzung. Wie ich bereits erwähnt habe, sind es nicht die Frauen, die überzeugt werden müssen. Diversität und Inklusion sind ein zentraler Bestandteil unseres nachhaltigen Plans für den Verband und die Branche.“
Was ist der beste berufliche Ratschlag, den Sie je erhalten haben?
Carey Trevill: „Hören Sie aktiv und mit ganzem Herzen zu und versetzen Sie sich in die Sichtweise des anderen. Nur dann können Sie die damit verbundenen Herausforderungen und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, wirklich verstehen.“
Aus Ihrer Sicht: Worauf sollten Frauen bei ihrer Karriereplanung achten, um sich auf eine Spitzenposition vorzubereiten?
Carey Trevill: „Lesen Sie, lesen Sie, lesen Sie, lernen Sie und nehmen Sie alle Informationen auf, die Sie bekommen können. Orientieren Sie sich an denen, die offen über ihren Erfolg und ihr Scheitern sprechen, denn Sie werden auf Ihrem Weg beides erleben. Wenn Sie lernen, damit umzugehen, sind Sie für eventuelle Rückschläge gewappnet. Leider muss ich auch erwähnen, dass Sie damit rechnen müssen, herabgesetzt und schikaniert zu werden. Das kann passieren, und wir können nicht so tun, als gäbe es das alles nicht. Das heißt nicht, dass es in Ordnung ist, aber wir müssen auf alles vorbereitet sein. Zwar hat sich die Frauenfeindlichkeit im Allgemeinen gebessert, dennoch sollte man auch auf negative Äußerungen von Männern und Frauen vorbereitet sein. Ich wurde zum Beispiel vor ein paar Jahren in einer sehr hohen Position gefragt, wie viel mein Mann verdiene, was wohl die Notwendigkeit für mein hohes Gehalt in Frage stellen sollte. Das war mein Wake-upCall, der mir vergegenwärtigt hat, dass ich immer mal wieder meinen persönlichen Wert unter Beweis stellen muss – und zwar ungeachtet meiner Erfahrung und meines Wissens. Zum Glück ist das seit einigen Jahren nicht mehr passiert.“
Stichwort New Work: Lassen Sie uns über digitales und ortsunabhängiges Arbeiten, Jobsharing, Mentoring und Work-Life-Balance sprechen…
Carey Trevill: „Ich habe fast immer auf eine hybride Art und Weise gearbeitet, in vielen verschiedenen Rollen und in unterschiedlichen Märkten. Bei der BPMA leben wir ein sehr ausgewogenes hybrides Modell, und es funktioniert für uns. Es hat das Leben in vielerlei Hinsicht einfacher und schwieriger gemacht. Denn wenn man über hybrides Arbeiten spricht, muss man sich ernsthaft auf die Kommunikation konzentrieren. Und ich bin ehrlich: Diese sehr persönlich geprägte Branche musste sich enorm an neue Arbeitsweisen anpassen. Tatsächlich glaube ich nicht, dass wir das Gleichgewicht schon gefunden haben – die Arbeitnehmer der alten Schule würden sagen ‚alles im Büro‘, während sich unsere jüngeren Arbeitnehmer mehr Flexibilität wünschen. Dennoch ist dies eine Branche, die sich nach Kontakten sehnt, und wir wissen, dass die psychische Gesundheit ohne das richtige Maß an Interaktion wirklich leiden kann. Jobsharing kommt bei uns häufig vor, und nach der Pandemie sind wir jetzt sicherlich weniger standortabhängig als früher.“