Product Finder

Hotline Onlinetool

Strategien gegen die Verpackungsflut

Julia Bernert

Veröffentlicht am 09.12.2022

Mitte des Jahres ist die Novelle des Verpackungsgesetzes in Kraft getreten. Neben unzähligen Fragen rund um die nochmals erweiterten verpackungsrechtlichen Pflichten ist auch die Diskussion neu entflammt, ob und wie Verpackungen nachhaltiger werden können. Die Redaktion des PSI Journals mit einem Überblick.

Tonnen von Verpackungen und Plastikabfällen sind aus ökologischer Sicht nicht mehr tragbar. Die Auswirkungen auf Mensch und Natur sind enorm, die Beseitigung des Mülls ist aufwendig und kostenintensiv. Oberstes Ziel muss daher die Reduktion von Verpackungen sein, die tatsächlich angefallenen Verpackungen müssen möglichst recycelt oder umweltgerecht, sinnvoll und wirtschaftlich verwertet werden. Diese Last muss von allen, die verpackte Waren in Verkehr bringen, gemeinsam getragen werden.

Materialeinsparung bei Verpackungen

Aussagekräftige Fakten zur Debatte rund um Verpackungen liefert unter anderem die Verpackungsindustrie selbst, etwa durch Studien, Kongresse und Fachveröffentlichungen. Demnach benötigen Verpackungen immer weniger Material und Rohstoffe, dennoch steigt der jährliche Verpackungsverbrauch an. Wie eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GMV) aus Anlass des 8. Tags der Verpackung (2022) zeigt, konnten 2020 in Deutschland durch verringerten Materialeinsatz 92 Prozent beziehungsweise 1,6 Millionen Tonnen des konsumbedingten Verpackungsmehraufwands im Vergleich zu 1991 eingespart werden. Insgesamt belaufen sich die Materialeinsparungen durch leichtere Verpackungen seit 1991 auf 23 Millionen Tonnen.

Immer mehr Verpackungen

Dass der Verpackungsverbrauch im gleichen Zeitraum dennoch gewachsen ist, liegt am gestiegenen Konsumniveau und einem veränderten Konsumverhalten. Würden wir heute noch die gleiche Anzahl an Produkten konsumieren wie vor 30 Jahren, könnten wir pro Jahr auf 1,7 Millionen Tonnen Verpackung verzichten. Neben der gestiegenen Anzahl konsumierter Produkte haben auch Struktureffekte und soziodemografische Faktoren zu einem Mehrbedarf an Verpackungsmaterial geführt. Aspekte wie eine gestiegene Zahl kleinerer Haushalte und die vermehrte Nachfrage nach kleineren Packungsgrößen haben mit weiteren 0,9 Millionen Tonnen zur Zunahme des Verpackungsverbrauchs beigetragen. In der Summe von gestiegenem Konsumniveau, veränderter Konsumstruktur und abzüglich der Effizienzgewinne durch optimierte Verpackungen nahm der private Endverbrauch von Verpackungen über alle Materialien von 1991 bis 2020 um 1,04 Millionen Tonnen beziehungsweise 14 Prozent auf 8,7 Millionen Tonnen zu. Seitens der Verpackungsverbände wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass erst ein bewussteres Konsumverhalten der Verbraucher und das verantwortliche Agieren der Industrie die Situation entspannen können.

Verpackungen sind unverzichtbar

Verpackungen allein unter dem Aspekt Ressourcenverbrauch und Umweltschädlichkeit zu betrachten, greift zu kurz. Denn Verpackungen sind hochfunktionale Produkte, ohne die wir überhaupt nicht auskommen: Sie schützen ihren Inhalt, machen empfindliche und flüssige Produkte überhaupt erst transport- und damit auch handelsfähig, sorgen für Haltbarkeit und Hygiene (etwa bei Lebensmitteln) und ermöglichen kompakte Lagerung und produktschonenden Transport. Nehmen wir nun die Materialien ins Visier, dann gibt es durchaus Möglichkeiten, in Richtung Nachhaltigkeit zu denken. Unter Berücksichtigung der Zwänge, die durch die Art der Ware und den Transportweg vorgegeben sind, stehen hier etwa Papier und Karton, Plastik in vielen Varianten, Verbundstoffe, Glas oder Metall zur Wahl, hinzu kommen Füll- und Dämmstoffe, die die Waren beim Transport schützen sollen.

Bewusster Umgang mit Verpackungen

Wofür wir uns auch entscheiden, diese Grundsatzfrage sollte man sich immer stellen: Was brauchen wir wirklich für einen sicheren Transport und wo können wir Material und Volumen einsparen? Wählen wir beispielsweise Papier oder Kartonage, heißt dies: welche Stärken und Größen sind wirklich nötig? Gibt es eine Alternative dazu, einen riesigen Karton mit einem kleinen Geschenk, umhüllt von einem Berg an Luftpolsterfolie, auf den Weg zu bringen? Dabei ist es ein Irrtum, grundsätzlich davon auszugehen, dass Papierverpackungen nachhaltiger sind als Plastikverpackungen. Denn der Ressourcenverbrauch bei der Kartonherstellung ist nicht unerheblich, besonders im Vergleich mit dünnen, vielseitig einsetzbaren Folienrezyklaten. Der Rohstoff-, Wasser- und Energiebedarf der Verpackungsindustrie ist jedenfalls sehr hoch, sogar bei Rezyklaten. So müssen etwa beim Recycling von Papier immer wieder neue Holzfasern zugemischt werden.

Hoher Ressourcenverbrauch

Laut der Kurier-Express-Paketdienste-Studie des Bundesverbands Paket und Expresslogistik stieg die Anzahl der Paket-, Express- und Kuriersendungen im Jahr 2020 allein in Deutschland auf mehr als vier Milliarden an. Für 2025 wurden mehr als fünf Milliarden Sendungen prognostiziert – diese Zahl wird voraussichtlich dieses Jahr bereits erreicht. Recycling allein reicht nicht aus, um den Ressourcenverbrauch für diese Mengen an Kartons zu reduzieren. Dass Versender und Online-Händler verpackte Waren nochmals umpacken, ist ein zusätzlicher Schritt in der Verpackungskette, der alles andere als nachhaltig ist, zumal die angefallenen Verpackungen nach einmaligem Einsatz sofort wieder vernichtet werden. Dies ist auch in der Werbeartikelbranche häufig die gängige Praxis.

Wiederverwertung als nachhaltiger Ansatz

Einen interessanten Lösungsansatz für Online-Shops, Brands und Privatkunden hat das Berliner Start-up SendMePack entwickelt. Nach Überzeugung der Gründer ist Wiederverwertung nachhaltiger als Neuproduktion und Recycling, auch wenn in Kompensationsprojekte investiert wird. Das Geschäftsmodell arbeitet daher ausschließlich mit bereits existierenden Ressourcen und ermöglicht dadurch, Verpackungsmüll zu reduzieren und CO2-Emissionen zu senken. Hierzu werden gebrauchte Kartons im Sinne einer Kreislaufwirtschaft erneut in die Versandkette eingebunden. Kunden, die ihre Waren in SendMePacks anstelle von neuen Kartons verschicken, agieren damit nicht nur nachhaltig, sondern setzen durch ein entsprechendes Label auch ein Statement, indem sie sich sichtbar als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit positionieren. Der Anbieter stellt zudem Marketinghilfen und Informationen zur Verfügung.

Verpackungsgesetz schafft Transparenz

Das Verpackungsgesetz soll ebenfalls einen Beitrag dazu leisten, das Verpackungsproblem in den Griff zu bekommen, indem es die Erstinverkehrbringer von Verpackungen zunehmend in die Pflicht nimmt, Transparenz schafft und die Anforderungen an die Verwertung von Verpackungen schrittweise erhöht. In der Neufassung von 2019 und der Novelle von 2022 wurden etwa die Recyclingquoten in zwei Schritten angehoben: Für Glas, Altpapier, Eisenmetalle und Aluminium steigen sie von 60 bis 75 auf 90 Prozent bis 2022, für Getränkekartons von 60 auf 80 Prozent und für Kunststoffe von 36 auf 63 Prozent. Darüber hinaus gelten mit der Novelle des Verpackungsgesetzes seit dem 1. Juli 2022 erweiterte verpackungsrechtliche Pflichten. 

Erweiterte verpackungsrechtliche Pflichten

Seit 1. Juli 2022 müssen alle Unternehmen, die gewerbsmäßig in Deutschland verpackte Waren in Verkehr bringen, im Verpackungsregister LUCID registriert sein. Diese Pflicht gilt unabhängig von der jeweiligen Verpackungsart, für Verkaufs-, Um- und Versandverpackungen genauso wie für Transportverpackungen, Mehrwegverpackungen, industrielle Verpackungen und pfandpflichtige Einweggetränkeverpackungen usw. Also sind auch Letztvertreiber von Serviceverpackungen, die ihre Pflichten vollständig an einen Vorvertreiber delegiert haben, betroffen: Sie müssen sich ebenfalls im Verpackungsregister LUCID registrieren. Bei Verstößen kann ein Vertriebsverbot ausgesprochen werden. 


Die gesamte Lieferkette im Blick

Eine weitere Verschärfung: Elektronische Marktplätze dürfen auf ihren Plattformen nur noch Waren von Händlern und Verkäufern anbieten, wenn diese im Verpackungsregister LUCID registriert sind und ihren Systembeteiligungspflichten nachkommen. Dabei stehen die Onlinehändler und Plattform-Betreiber in der Pflicht, das zu überprüfen. Das Gleiche gilt für Fulfillment-Dienstleister. Auch sie müssen sicherstellen, dass ihre Auftraggeber die verpackungsrechtlichen Pflichten erfüllen. Ansonsten dürfen sie ihren Auftraggebern ihre Leistungen nicht mehr anbieten. Damit elektronische Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister ihren Prüfpflichten leichter nachkommen können, stellt die ZSVR ihnen und weiteren Interessenten mit der Möglichkeit eines Registerabrufs täglich eine XML-Datei zur Verfügung.

Konsequenzen für die Branche

Was bedeutet all dies für die Werbeartikelbranche? Verfolgen wir einmal den Weg, den ein Produkt in der Handelskette nehmen kann. Eine Lieferung ist in Deutschland angelangt. Man kann also davon ausgehen, dass die Verpackungen etwa von Powerbanks, Tools oder Taschen bereits vom Produzenten oder Importeur lizensiert worden sind. Die Kartons, in denen die Ware geliefert wurde, gelten als Transportverpackungen, sie gelangen nicht an den Endverbraucher und unterliegen daher nicht der Beteiligungspflicht. Nun werden die Produkte über den Werbeartikelhändler weiterverkauft. Der verpackt nun Teile der Lieferung zusammen mit weiteren Produkten in eine neue Verpackung, um sie an seinen Kunden zu schicken. In diesem Fall bringt er dieses neue Gebinde in dieser Form erstmals in Verkehr und hat damit eine Versandverpackung zu lizensieren, sofern sie letztlich beim Endverbraucher anfällt. Gleiches gilt, wenn ein Händler die Produkte zuvor in Schmuck- oder individuell gestaltete Verpackungen umpackt. Auch wenn diese Verpackungen eine Zeitlang anders genutzt werden, sind sie ebenfalls zu lizensieren. Auch bereits gebrauchte Verpackungen müssen vom Händler lizensiert werden. Diese Pflicht entfällt nur dann, wenn er nachweist, dass sie schon einmal an einem System beteiligt wurden. Händler müssen also immer beweisen können, dass eine Verpackung bereits lizensiert ist. Grundsätzlich gilt, dass der Letztvertreiber in Deutschland sicherstellen muss, dass die Verpflichtungen aus dem VerpackG eingehalten werden. Immer dann, wenn unsicher ist, ob ein Produkt systembeteiligungspflichtig ist, macht es Sinn, eine entsprechende Argumentation in den Produktakten niederzulegen. So können Betroffene im Zweifelsfall begründen, warum sie ihr Produkt nicht lizensiert haben.

aus dem PSI Journal 12 / 2022

Quellen:

https://www.verpackungsregister.org/information-orientierung

https://www.verpackungsregister.org/fileadmin/files/How-to-Guide/Infoblatt_Versandhaendler.pdf

https://www.gruener-punkt.de

https://www.verpackungsregister.org/verpackungsregister-lucid/registrierung/auf-einen-blick/

https://deutsche-recycling.de/verpackungsgesetz/

https://www.verpackung.org/

Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM): Studie vom Mai 2022 im Auftrag des Deutschen Verpackungsinstituts e. V. (dvi), der Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt e.V. (AGVU), des Fachverbands Faltschachtel Industrie e. V. (FFI), der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e. V. (IK) und des Industrieverbands Papier- und Folienverpackungen e. V. (IPV).

Titelfoto (c) Shutterstock