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Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung

Redaktion PSI Journal

Veröffentlicht am 20.07.2023

Der Bundesverband Groß- und Außenhandel kritisiert den Entwurf zur Arbeitszeiterfassung: Die Ankündigung des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), dass alle Unternehmen zwingend die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen müssen, hat zu Spekulationen auf Arbeitgeber- wie auch auf Arbeitnehmerseitegeführt. Details zur Ausgestaltung der Vorschriften waren bis vor kurzem nicht bekannt. Das hat vor allem die Arbeitgeber verunsichert. Denn sie sind in der Pflicht, geeignete Erfassungssysteme zu etablieren, was Planungsaufwand und Investitionen bedeutet. Nun hat das Bundesarbeitsministerium einen Referentenentwurf vorgelegt, der das Gesetzesvorhaben konkretisiert. Der Bundesverband Groß- und Außenhandel (BGA) kritisiert die Regelungen als nicht zeitgemäß und zu wenig flexibel. Er erkennt darin einen Bruch des im Koalitionsvertrag gemachten Versprechens, weiterhin Vertrauensarbeitszeit zuermöglichen. Diese sei in der der modernen Arbeitswelt ein Muss und sinnvoll für alle Beteiligten.

Unternehmen ab zehn Mitarbeitern betroffen

Arbeitgeber müssen ein System zur Zeiterfassung einführen, um die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter einschließlich Überstunden zu erfassen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seinem Beschluss klar, dass diese Pflicht für alle Arbeitnehmer gilt – ganz gleich, ob sie im Büro oder im Homeoffice arbeiten. Seit dem Beschluss des BAG vom 13. September 2022 mit seinen Feststellungen zur Arbeitszeiterfassung gab es Ankündigungen aus dem Bundesarbeitsministerium, diese Frage gesetzlich zu regeln. Der entsprechende Referentenentwurf veröffentlichte das Bundesarbeitsministerium am 18. April. Die Vorlage beinhaltet im Wesentlichen folgende Punkte: Künftig sollen generell Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer am Tag der Arbeitsleistung elektronisch erfasst werden. Ausgenommen von dieser Pflicht sind lediglich Firmen, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen.

Für alle anderen Unternehmen sind hinsichtlich der elektronischen Form Übergangsvorschriften vorgesehen: für Arbeitgeber ab 250 Arbeitnehmern ein Jahr, für Arbeitgeber ab 50 und weniger als 250 Arbeitnehmern zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 und mehr als zehn Arbeitnehmern fünf Jahre – jeweils ab Inkrafttreten des Gesetzes.

Verzicht auf Kontrolle möglich

Die Verantwortlichen des Entwurfs stellen klar, dass der Arbeitgeber die Aufzeichnung auf die Arbeitnehmer oder Dritte delegieren kann. Der Arbeitgeber kann auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Er muss jedoch sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit und der Ruhezeiten bekannt werden. Der Arbeitnehmer kann eine Information über die aufgezeichneten Arbeitszeiten verlangen. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall gegebenenfalls eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung stellen.

Abweichungen lassen sich in sehr begrenztem Maße vereinbaren. Das gilt aufgrund einer Tarif- oder Betriebsvereinbarung hinsichtlich der elektronischen Form, des Zeitpunktes der Aufzeichnung (bis maximalsieben Tage nach Erbringung der Arbeitsleistung) sowie hinsichtlich Arbeitnehmern, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“. Die Ausnahmevorschriften des ArbZG (§§ 18 ff.), besonders für leitende Angestellte, bleiben unverändert. Für diese ist also auch in Zukunft keine Zeiterfassung vorgesehen. Daneben werden die Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten angepasst. Änderungen im Jugendarbeitsschutzgesetz und der Offshore- Arbeitszeitverordnung werden ebenfalls vorgenommen.

BGA sieht Bruch des Koalitionsvertrags

Der BGA kritisiert diesen Entwurf. Er sieht darin das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, weiterhin Vertrauensarbeitszeit zu gewährleisten, nicht berücksichtigt. Ebenso fehle die angekündigte und dringend erforderliche Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit beziehungsweise der Ruhezeiten. Stattdessen beschränke sich der Vorschlag im Wesentlichen auf eine Regulierung der Arbeitszeiterfassung. Dafür sei trotz gesetzlicher Gestaltungsspielräume keine Formfreiheit vorgesehen. Der für den Arbeitgeber mögliche Verzicht auf die Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen ziele auf die Flankierung der Vertrauensarbeitszeit. Dabei bleibe unklar, wie weit die dennoch erforderlichen Kontrollen reichen sollten. Hier müsse tatsächliche, zu einer modernen Arbeitswelt passende Vertrauensarbeitszeit ermöglicht werden – im Sinne der Beschäftigten und Unternehmen. 

Kritisch sieht der BGA zudem die sehr begrenzten Abweichungsmöglichkeiten, die allein durch Tarifvertrag oder für Betriebsvereinbarungen vorgesehen sind. Damit könnte nur ein geringer Teil der Beschäftigten von einer Lockerung profitieren. Wenn der Gesetzgeber dies für die Breite der Wirtschaft und der Beschäftigtenverhältnisse ermöglichen wolle, müsse er dies entsprechend regeln. Ein Beispiel für eine solche Ausnahmeregelung sei der öffentliche Dienst: In diesem Bereich soll auch weiterhin von einer Arbeitszeitaufzeichnung abgesehen werden können.

Ausnahme für leitende Angestellte

Ein positiver Punkt ist dem Entwurf dennoch abzugewinnen: Da das Bundesarbeitsgericht seinen Beschluss vom 13. September 2022 nicht auf das Arbeitszeitgesetz, sondern auf das Arbeitsschutzgesetz gestützt hatte, war eine Regelung der Zeiterfassung in letzterem zu befürchten. In dem Fall hätte auch der Fortbestand der Ausnahmeregelung für leitende Angestellte in Frage gestanden. Noch offen ist der weitereFortgang des Gesetzgebungsverfahrens. Der Referentenentwurf befindet sich dem Vernehmen nach in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Eine Verbändeanhörung ist bislang nicht eingeleitet. Auch zur zeitlichen Planung des weiteren Verfahrens ist derzeit noch nichts bekannt. 

Fotonachweis: Adobe Stock, Nuthawut