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Ein Grundsatzverfahren zum neuen UWG

Redaktion PSI Journal

Veröffentlicht am 30.07.2021

Das Landgericht Osnabrück hat am 23. Juli 2021 ein wegweisendes Urteil zum neuen UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) gefällt. In dem wettbewerbsrechtlichen Grundsatzverfahren hat sich die Crimex GmbH gegen einen Wettbewerber durchgesetzt, der im Dezember 2020 eine Abmahnwelle in Gang gesetzt hatte.

Am 3. Dezember 2020 hatte die Giffits GmbH begonnen, eine Vielzahl von Online-Händlern mit Anwaltsschreiben abmahnen lassen. Bemängelt wurde eine fehlende Zertifizierung nach der Öko-VO (EG-Verordnung 834/2007). Dabei wurden über 50 nahezu identische Schreiben versendet, wobei Vertragsstrafe-Versprechen von 10.000 Euro gefordert wurden. Als Streitwert, der für die Berechnung der Abmahngebühren relevant ist, wurden 100.000 Euro angegeben. Auch die Crimex GmbH wurde aufgefordert, eine Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 10.000 Euro „für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Handlungseinheit“ zu unterschreiben. Giffits ließ unerwähnt, dass sie auch weitere Unternehmen mit demselben Vorwurf abmahnt. Crimex unterzeichnete die Erklärung nicht und beantragte umgehend eine Zertifizierung nach der Öko-VO, nahm alle Bio-Produkte vorübergehend aus dem Sortiment und informierte Giffits entsprechend. Nach Auffassung von Crimex ist die Abmahnung rechtsmissbräuchlich und verstößt unter anderem gegen § 8c Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4 und 5 UWG.

Abmahnung war rechtsmissbräuchlich

Das Landgericht Osnabrück folgte nun der Auffassung der Crimex GmbH und entschied, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich war. Der Antrag der Giffits GmbH auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen, Giffits hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dies begründete das Gericht unter anderem damit, dass Giffits bei Antragstellung nicht dargelegt habe, dass sie mehrere zumindest dem Sinn nach vergleichbare Abmahnungen im engen zeitlichen Zusammenhang getätigt hat. Dies sei ein Verstoß gegen das Gebot vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrags aus § 138 ZPO. Dieses Gebot erlange vor dem Hintergrund des neuen § 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG deshalb besondere Bedeutung, weil danach eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen einen Rechtsmissbrauch indizieren kann. Die Giffits GmbH habe diesen Umstand nicht von sich aus mitgeteilt, und das Gericht damit über einen wesentlichen Punkt im Unklaren gelassen.

Gegenstandswert und Vertragsstrafe überhöht

Zudem habe die Giffits GmbH den Gegenstandswert für ihre Abmahnung unangemessen hoch angesetzt im Sinne von § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG. Die Abmahnung erging im Hinblick auf drei angebotene Produkte. Darüber hinaus sah das Gericht die geforderte Vertragsstrafe von 10.000 Euro je Verstoß als offensichtlich überhöht im Sinne von § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG an. Sie stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Umsatz beider Parteien mit Bio-Artikeln. Schließlich sei die Vertragsstrafe auch deshalb offensichtlich überhöht, weil die Verfügungsbeklagte eine Haftung unter „Ausschluss der Handlungseinheit“ gefordert hatte. Dieser „Ausschluss der Handlungseinheit“ diente aus Sicht des Gerichts einzig dazu, in der Summe höhere Vertragsstrafen zu generieren. Das Urteil ist eines der ersten zum neuen UWG. Es ist auch deshalb bemerkenswert, weil vorher bereits zwei Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt, OLG Bamberg) in Parallelverfahren entgegengesetzt entschieden hatten, allerdings ohne die entsprechenden Vorschriften des neuen UWG im Detail zu prüfen. Insbesondere der Verstoß gegen § 138 ZPO war von den Oberlandesgerichten überhaupt nicht thematisiert worden. Das Urteil des Landgerichts Osnabrück ist noch nicht rechtskräftig.